Auf gehts nach Hell-go-land!
Nachdem wir die Sache mit dem Motor und dem Auspuff geklärt hatten, ohne uns allzusehr zu blamieren, möchte der Mann an meiner Seite nach Helgoland fahren.
Und um alle Gegenargumente meinerseits bereits vorher zu entkräften, hat er auch schon einen Skipper besorgt.
Und so stehen wir auf dem Parkplatz in Otterndorf und warten auf unseren tiefenentspannten Skipper aus dem SKS-Kurs, den coolsten Kapitän seit Käptn Birdseye, der zur Unterstützung noch seinen Sohn mitgebracht hat; wir sind also eine richtige Mannschaft.
Käptn Birdseye wird zum Skipper erklärt, nachdem wir Proviant und Schlafsäcke verstaut haben legen wir ab, schlängeln uns an den Pricken entlang bis auf die Elbe, queren auf die rote Seite und immer den Tonnen entlang.
Es ist völlig windstill, die einzigen Wellen kommen von den Containerschiffen im Fahrwasser, ein paar wenige Segler dümpeln vor sich hin, die Segel hängen schlapp heunter und werden eingeholt… wir motoren vor uns hin, wechseln uns ab mit Steuern und geniessen die Aussicht auf Cuxhaven und die Kugelbake.
Bei Tonne 8 wird es spannend, Kursänderung Richtung Helgoland, 300°.
Vorbei an den Schiffen auf Reede, wie auf einem Elefantenfriedhof liegen die riesigen Containerschiffe da, wir fahren mitten durch die Herde, Skyroad wirkt wie eine Nußschale im Vergleich.
Es geht weiter, um uns herum wird es leer, nur noch Wasser, diesig ist es, noch kein Land in Sicht.
Plötzlich Wellen, der Holunderjet nach Helgoland saust vorbei… anscheinend stimmt unser Kurs.
(Das AIS behauptet übrigens steif und fest, es heisst „Halunder Jet“, aber Holunderjet gefällt mir besser..)
Ich lese die Hafeninformation für Helgoland vor. „Hier steht, die Hafeneinfahrt ist schwierig, ab 5 Beaufort baut sich eine Welle auf“ gebe ich zu bedenken und werde ausgelacht, unser Windmesser zeigt gerade mal 3 Knoten an.
Wir fahren weiter, im Dunst taucht Helgoland auf wie Avalon aus dem Nebel. Nur noch ein paar Seemeilen… der Wind frischt auf, wird stärker, kommt direkt von vorne mit 5 Beaufort und es wird schaukelig, ich hole gerade Luft für ein „Hab ich ja gesagt, ab 5 Beaufort baut sich eine Welle auf“, da trifft mich eine Ladung Salzwasser… Hochseefeeling kommt auf, der Mann an meiner Seite steuert freudestrahlend weiter, nass von der Gischt, freut sich über jede Welle, Käptn Birdseye bleibt cool und dreht sich einhändig eine Zigarette, der Sohn sagt wenig und sieht ein wenig grün aus.
Wir kommen in den Hafen, die Schiffe liegen aufgereiht wie eine bunte Brausebonbonkette nebeneinander im Päckchen, wir legen uns dazu, Seite an Seite mit einem leicht mitgenommen aussehenden Langfahrtschiff, der freundliche Besitzer stellt einen zerzausten Basilikumtopf beiseite und legt unsere Leine um seine Klampe.
Wir gehen an Land, klettern über alle Schiffe, bis wir das Letzte erreichen, ein holländisches riesiges Motorboot. Wie die Eiger Nordwand türmt es sich auf, der Weg von der Reling zum Steg ist lang, wir hangeln uns herunter und fragen uns, wie wir wohl jemals wieder auf den Behemoth heraufkommen sollen…
Aber erstmal Helgoland, sightseeing.. oh, schon vorbei!
Helgoland ist kleiner als ich dachte, einmal geblinzelt, schon verpasst…
Wir steigen eine Hügel hoch, wollen die Lange Anna sehen und den Lummenfelsen.
Auf dem Weg dahin hören wir schon Vogelgekreische, welches sich intensiviert, dazu kommt der Geruch nach Guano, wir haben den Lummenfelsen erreicht.
Jede Menge Federn, viel Geflatter und aufgeregtes Geschrei, unzählige schlecht gelaunte Basstölpel, die auf ihren Nestern hocken müssen und neidisch auf diejenigen Kollegen schauen, die draussen im Sturzflug ihre Freiheit geniessen dürfen.
Ausser Basstölpeln sehen wir am Lummenfelsen keine anderen Vögel, vor allem keine Lummen, wir gehen weiter zur Langen Anna, ein unerwartet unspektakulärer Anblick, ein großer Felsen mit einer Mauer darum, von oben ähnelt er einer umzäunten Kleingartenparzelle mittem im Meer.
Zurück im Hafen, wir stehen vor der holländischen Eiger Nordwand aus weiss glänzendem GFK…
Irgendwie schaffen wir es auch ohne Krampen und Eispickel herauf, klettern über weitere gefühlte 500 Schiffe bis wir die Skyroad erreichen und fallen todmüde in die Kojen.
Am nächsten Morgen müssen wir früh raus, wieder kein Wind, dafür lange Wellen von der Seite, wir rollen zurück nach Otterndorf, der Sohn wird immer grüner, es war vermutlich das schrecklichste Wochenende für ihn seit langem, kein Segeln, langweiliger Felsen und dann noch Schaukeln auf „Kotz-Kurs“ und alles ohne Handyempfang… trotzdem verabschiedet er sich freundlich und beteuerte, dass es ihm gefallen habe, ein wirklich netter Junge.
Der Mann an meiner Seite trägt alles ins Logbuch ein, wir räumen das Schiff auf und der Alltag hat uns wieder im Stau vor Hannover, in der Jackentasche die Feder eines Basstölpels…



