Bye bye Genua… der Rückweg nach Otterndorf..
Noch eine Nacht im Hafen von Helgoland, am Vortag haben wir noch einmal vollgetankt wie alle anderen Schiffe neben und um uns herum auch, anscheinend übliches Verhalten vor Saisonende.
Frühmorgens lösen sich die Päckchen auf, hektische Aktivitäten brechen auf den umliegenden Schiffen aus, wir lassen uns anstecken.
Plötzlich sieht Chuck eine Lücke und drängt zum sofortigen Aufbruch, die Checkliste des Drillinstructos bleibt vergessen, gerade noch schaffen wir es, die Rettungswesten überzuwerfen, schon hat Chuck die Leinen gelöst.
Kaum aus dem Hafen heraus rächt sich die vergessene Checkliste. Rettungswesten, Check, Seeventile? In letzter Sekunde noch geschlossen, Check. Luken dicht? Oh… shit.
Die Matratzen können ja in Otterndorf wieder trocknen, denke ich, die Bilgenpumpe springt an und die Teppiche wollte ich sowieso erneuern…
Ich leiste innerlich Abbitte beim Drillinstructor, nie mehr werden wir die Checkliste vergessen, mittlerweile hängt ein schönes Messingschild am Niedergang mit der grossen Aufschrift CHECKLISTE, falls wir mal wieder überstürzt aufbrechen wollen..
Schlimmer kann es ja nicht mehr kommen, denken wir und fahren aus dem Hafen heraus. Viel Wind und Welle, Chuck will Segel setzen, hart am Wind, wir holen die Genua dicht, noch dichter, ganz dicht, dann befürwortet sich der alte Spruch „nach fest kommt ab“, plötzlich knallt es und die Genua flattert nur noch lustlos im Wind. Irgendetwas ist eingerissen, Chuck balanciert nach vorne und entscheidet, dass die Genua runter muss.
Wir schauen Richtung Vorschiff, eine Achterbahn mit integierter Duschfunktion.
Freiwillige vor.
Chuck ist bereits vorne und zieht ungeduldig am Segel, „Na los“ ruft er.
Der Mann an meiner Seite schaltet in den Heldenmodus und zwängt sich zwischen Seereling und Kabine nach vorn, zum Glück haben wir vor dem Törn Jacklines gezogen, diese kommen jetzt zum Einsatz, Safety first.
Vorne haben sie es geschafft, das unkooperative Segel wird Richtung Kabinendach gezerrt, während ich versuche, das Schiff so zu steuern, dass die beiden nicht ständig nass werden, zumindest einer trägt sein Ölzeug, von Chuck perlt das Wasser einfach ab.
Irgendwie schaffen wir es gemeinsam, das Segel den Niedergang hinunterzubugsieren, wo es den Rest der Fahrt feststeckt.
Angekommen in Otterndorf bieten wir noch ein wenig Hafenkino bei dem Versuch, gegen den ablandigen Wind anzulegen.
Nach mehreren Versuchen mit vielen mehr oder weniger hilfreichen Kommentaren der Umstehenden waren wir völlig verwirrt, irgendwann geraten wir wir ein wenig näher an den Steg, so dass Chuck an Land springen kann, eine Leine ist fest, jetzt nur noch eindampfen… zum Schluss ziehen wir das Schiff manuell unter viel Gelächter mit Hilfe unseres Publikums einfach ran.
Das Segel wird aus dem Niedergang gezerrt, mit der Schubkarre bringen wir es an Land und breiten es auf der Wiese aus, der Keder ist im oberen Drittel ausgerissen….
Sorgsam gefaltet zwängen wir das dennoch erbitterten Widerstand leistende Segel in die Tasche, Abtransport zum Segelmacher.
Später nach der Reparatur zeigt uns Käptn Sparrow, unser Werftchef, einen völlig verbogenen Schäkel, den er aus dem Mast geborgen hat und welcher anscheinend für die kaputte Genua verantwortlich war.
Materialermüdung oder rohe Kräfte? Wir werden es nicht erfahren, ich bewahre den Schäkel auf und funktioniere ihn um zum Handtuchhalter, zur Erinnerung an unser erstes grosses Abenteuer auf dem Vorschiff.

