Don´t panic!

Don´t panic!

Noch einen Liter Öl nachgekippt und wir legen ab, ein Ohr im Motorraum, ein Auge auf den Kontrolleuchten; zunächst ist alles im grünen Bereich .

ZUm Glück ist wenig Wind, kaum Welle, der leichte Sprühregen lässt nach, es wird heller, die Sonne wirft einen Blick auf uns und versteckt sich gleich wieder hinter einer Schleierwolkenschicht, ich kann es ihr nicht verdenken.

Wir entspannen ein wenig, zählen die Inseln rückwärts, Borkum, Memmert, Juist, dann nix mehr, Norderney ist weg.

Statt dessen fahren wir in eine weissgraue Wand… Seenebel!

Es wird still, kalt, grau, feucht, unheimlich und wir sehen nur noch das direkte Wasser um uns herum, sonst nichts.

Der Mann an meiner Seite freut sich, endlich kann er das Radar ausprobieren, unser Obergott Zeus piept fröhlich vor sich hin, der Mann betatscht den Touchscreen und freut sich, was er alles sehen kann.

Ich sehe nichts, versuche trotzdem scharf Ausguck zu halten, starre gebannt auf die Wand, der Nebel scheint lebendig zu sein, Rippel bilden sich an der Grenze zum Wasser, eine Andeutung von Tentakeln, Erinnerungen an heimliches Horrorfilmgucken als Kind werden wach, “ The Fog“, ich halte den Atem an und erwarte den Kraken…. oder zumindestens die Black Pearl…

Kein Kraken, kein Geisterschiff, wir verlassen die Nebelbank ohne übersinnliche oder sonstige Begegnungen und können uns weiter auf das Ölproblem konzentrieren, „Don´t panic“ murmele ich vor mich hin.

Wir nähern uns Elbe Approach, das klingt gut, Elbe, fast schon zuhause, denken wir optimistisch.

Die Elbe hat andere Pläne mit uns, möchte unsere missliche Situation noch ein bisschen auskosten, vileleicht hätten wir doch den teureren Rum opfern sollen vor der Abfahrt.

Es geht harmlos los, wir werden unmerklich langsamer… der Gegenstrom setzt ein.

Ein bisschen mehr Gegenstrom, noch langsamer, Nieselregen, ab und zu ein Contaninerschiff.

Wir werden deutlich langsamer, die Elbe zeigt uns ihre Muskeln.. Schiffi kämpft, wir trauen uns nicht, mehr Gas zu geben, Bilder von explodierenden Motoren und Kolbenfressern vor Augen, 4 1/2 Knoten Gegenstrom, wir fahren fast auf der Stelle…

Ein bisschen höhere Drehzahl wäre gut, ich klettere in den Motorraum und schaue nach wie es dort aussieht.. Ein riesiges Containerschiff fährt vorbei, macht Seitenwelle, in der Bilge schwappt das schwarze Öl, es sieht aus wie die Küste Alaskas nach der Exxon-Valdez-Havarie… viel Öl kann nicht mehr im Motor sein…

„Wir müssen Öl nachfüllen!“ rufe ich nach oben, mit unserem jetzigen Tempo von gefühlten Minusknoten werden wir nicht so bald in Cuxhaven einlaufen, der Kolbenfresser schaut bereits um die Ecke.

Öl absaugen wäre auch gut, sonst schwappt die Bilge doch noch über und Öl im Wasser wird teuer…

„Gute Idee“, tönt es von hinter dem Steuer, „ich mach kurz den Motor aus!“ „Hoffentlich springt er auch wieder an“, geht mir durch den Kopf, aber schon treiben wir, ich versuche mit dem letzten Schwung zu steuern, wir sind ausserhalb des Fahrwassers, der Mann an meiner Seite sprintet die Treppe runter, kippt Öl nach und ist schon wieder oben als das Funkgerät losquakt, Elbe Traffic will wissen, ob wir ein Problem haben, weil wir in Richtung Tonnen treiben würden.

Erstaunt, das unser Heimlich-Manöver so schnell aufgefallen ist, meldet der Mann an meiner Seite sich zurück, erklärt unser Problem, der Motor läuft wieder, wir halten wieder Kurs.

Elbe Traffic ist zufrieden, aber wir bleiben auf Standby…

Öl ist wieder drin, jetzt kommt das Bilgenproblem dran.

Freiwillige vor, ich werde ausgewählt und kauere vor dem heissen, lauten Motor wie ein Löwenbändiger mit meiner kleinen Pumpe und mache mich an die Arbeit, „The Green Beast“ schnurrt derweilen wie ein Kätzchen vor sich hin.

Drei Flaschen später komme ich wieder nach draussen, dort ist es dunkel.

Warum eigentlich, es ist doch ncoh gar nicht so spät. Ich schaue hoch, an Backbord eine dunkle Wolkenwand, an Steuerbord scheint noch die Sonne über Neuwerk, aber die Wolken türmen sich auch dort schon auf.

Es fängt an zu regnen, erst wenig, dann alles auf einmal, ein richtiger Schauer, hört aber gleich wieder auf, wir stehen wie die begossenen Pudel unter unseren Kapuzen, und lachen. “ Wir nehmen auch alles mit“, lacht der Mann an meiner Seite.

Die Elbe hört mit und denkt sich, “ Da geht noch was“. Ein ominöses Grummeln ist zu hören, dann blitzt es in der Ferne.

Gewitter… „Eichen sollst Du weichen, Buchen sollst Du suchen…“ heisst es, aber was macht man auf dem Wasser mit einer 17 Meter hohen Metallstange? Darüber schweigt der Volksmund.

Während ich noch überlege, ob ich das Handy in den Backofen legen sollte und ob die Gummisohlen der Segelschuhe ausreichend isolierend wirken, geht es richtig los, Blitz, Donner und natürlich Regen, ich komme mir vor wie in einer Autowaschanlage.

Es ist nass, dunkel, wir kommen nur mühsam voran, Donner kracht neben uns, es blitzt vorne, seitlcih und neben uns, Pandämonium…

Aber neben uns blinken die grünen Tonnen und vor uns sehen wir die Lichter von Cuxhaven. Ich halte Ausschau nach der Kugelbake, anstelle des erwarteten Holzskelettes steht dort etwas, dass einer kitschigen Hochzeitstorte in Rosa und Weiss ähnelt, die nächtliche Illumination verändert den Charakter des Wahrzeichens.

Tonnen zählen bis zur Hafeneinfahrt, jede Menge Lichter in allen Farben, mit dem Fernglas finden wir die Einfahrt, wecken Cuxhaven Lock auf, damit wir durch die Klappbrücke fahren können… es ist kurz vor Mitternacht, aus den geplanten 12 Stunden Fahrt wurden mit Hilfe der mächtigen Elbe 17 Stunden.

Mit einem grossen Bogen fahren wir gegen die Strömung in den Hafen, Richtung Brücke, sie klingelt schon.

Hinter der Brücke ist das Wasser spiegelglatt, der Regen hat aufgehört, das Gewitter sich verzogen, wir legen am Steg der Werft an, unser Abenteuer ist zuende, noch schnell die Socken auswringen und über die Reling hängen, dann ab ins Bett.

kurz vor dem Regen

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