Ein blinder Passagier

Ein blinder Passagier

Es geht wieder los, wir legen am Abend in Otterndorf ab, sausen mit der Ebbe Richtung Cuxhaven und auf die Aussenelbe… unter Motor; unser Gross liegt schön säuberlich gefaltet in der Achterkabine, wer sich nicht ausrollen lässt, muss drinnen mitfahren.

Aber der Segelmacher hat sich dem Problem bereits genähert und ist zuversichtlich, mit einem neuen Segel und einer längeren Schiene auf dem Baum eine Lösung zu finden, so dass wir nächste Saison endlich die Segel setzen können und unsere Lernkurve wieder zurück auf Null gesetzt wird.

Mittlerweile klappt es mit dem An- und Ablegen gut (klopf auf Holz), Helgoland bietet ja viele Übungsmöglichkeiten während der Päckchenauflösungen.

Die Dämmerung kriecht über die Elbe, wenig Wind und Welle, die Bojen funkeln um die Wette mit den langsam aufgehenden Sternen.

Hinter Bake Zulu sehen wir schon den Schein des Helgoländer Leuchtturmes, der uns den Weg weist bis zum Hafen (unter tatkräftiger Unterstützung von Zeus3 natürlich). Im Hafen blitzt eine Taschenlampe auf, wir werden bereits erwartet!

Alter Schwede, wir legen an der Seite der grössten Segelyacht im Hafen an; die holländische Lady freut sich uns kennenzulernen, ihren Eigner kennen wir bereits vom SKS-Kurs „Nahtoderfahrung in der Waddenzee“, per WhatsApp blieben wir in Kontakt und konnten so ein spontanes Treffen auf Helgoland vereinbaren bevor der fliegende Holländer am nächsten Tag wieder Richtung Heimat startet.

Die Anleger fliessen reichlich, der Rum passt zu den karibischen Temperaturen, zum Leidwesen unserer Stegnachbarn geht die Party bis vier Uhr morgens…

Mit etwas Verspätung lösen wir am nächsten Morgen das Päckchen auf, der Alte Schwede und seine Crew machen sich auf den Richtung Ijmuiden und wir bleibenein paar Tage, Urlaub auf Helgoland.

Während ich die vollen Einkaufstüten quer über die Insel schleppe, blicke ich neidvoll auf die Tretroller, die überall herumflitzen, Notiz an mich „ so einen brauche ich auch für Helgoland!“

Die Basstölpel sind noch da, ihre Jungen eigentlich zu groß, um noch in den Nestern zu chillen, statt Flaum haben sie bereits dunkle echte Federn und benehmen sich wie Teenager, lungern im Nest rum und fordern Essen an.

Die Lummen sind weg und wir brechen auch auf, Richtung Sylt.

Diesmal geht es in der Morgendämmerung los, es ist sehr kabbelig, ich begutachte den Boden meines Eimer wieder bis zur Ansteuerungstonne des Vortrapptiefs, danach scheint die Sonne , es herrscht immer noch ein bisschen Seegang, aber der Eimer  kann wieder in der Backskiste verschwinden, ich fühle mich erstaunlich gut und habe Hunger.

Wir nähern uns Hörnum bei strahlendem Sonnenschein, der Wind weht den Geruch nach Heckenrosen und Heidekraut herüber, es riecht nach Zuhause für mich.

Angelegt im Hafen unter tatkräftiger Unterstützung vom Steg und  guten Ratschlägen von oben aus dem Hafencafe, erstmal die Pipilounge aufsuchen! (keine schnöden Toiletten auf Sylt!).

Am nächsten Tag nehmen wir den Bus nach Westerland und freuen uns auf ein reichhaltiges Frühstück bei meiner Mutter. Ansonsten ist es wir immer, ich freue mich jedesmal auf Sylt, aber wenn ich dann da bin, kann ich nicht schnell genug wieder wegfahren, irgendwie kommen die Menschenmassen nicht vor in meinen Sylter Erinnerungen.

Zurück nach Helgoland, die Nordsee ist glatt wie Quecksilber, kein Windhauch rührt sich.

Neben dem Schiff tauchen Robben auf, wir sehen Schweinswale tauchen, die moppeligen Cousins der eleganten Delfine.

An Amrum vorbei, plötzlich bekommen wir Besuch.

Ein kleiner Vogel landet neben dem Mann an meiner Seite und beäugt ihn misstrauisch.

Eindeutig kein Seevogel, sieht aus wie ein Spatz mit einem roten Schwanz, vielleicht ein Gartenrotschwänzchen…  weitab von seinem Garten.

Anscheinend hat er das auch gemerkt, ab und zu startet er einen Flugversuch, kommt aber leicht panisch jedesmal zurück an Bord, irgendwann gibt er auf und erkundet statt dessen das Schiff, sitzt auf dem Mast, fliegt nach vorne, auf einmal ist er innen im Schiff und verziert die Inneneinrichtung  mit kleinen weissen Flecken.

Anscheinend hat er Hunger, meine Brötchenkrümel verschmäht er und fängt statt dessen eine Motte, die er aus einer Falte der zusammengelegten Kuchenbude zieht, zum Nachtisch werden noch ein paar Fliegen aus der Luft geschnappt.

Danach ist er müde, setzt sich windgeschützt neben die Tür zum Niedergang und schläft ein bisschen.

Wie der typische Kreuzfahrtpassagier wacht er wieder auf und möchte Unterhaltung, fliegt wieder ein bisschen um das Schiff und landet auf der Mütze des Mannes an meiner Seite. „Ist er auf meinem Kopf?“ fragt er vorsichtig, ohne sich zu bewegen, ich schiesse schnell ein Foto vom meiner Disneyprinzessin.

Land in Sicht, unser blinder Passagier bemerkt es eher als wir und verschwindet Richtung Helgoland. Wir legen im fast leeren Hafen an. Am nächsten Tag ist der Hafen nicht mehr ganz so leer, das übiche Päckchenauflösen folgt frühmorgens, viel zu früh zum Tanken, also fahren wir ein bisschen raus, in einen wunderschönen Sonnenaufgang, bis die Tankstelle öffnet.

Mit vollgetanktem Schiff geht es dann zurück nach Otterndorf, wieder unter Motor, der Wind steht ungünstig und an unserem Liegeplatz macht sich ein kleines Motorboot breit, wir legen trotzdem an, obwohl wir ein bisschen überstehen, der Mann an meiner Seite ist „not amused“; zum Glück kommt der Motorbootkapitän an und fährt weg, so dass wir die Skyroad an den angestammten Platz ziehen können.

Es wird Oktober, kalt und ungemütlich, wir bringen das Schiff nach Cuxhaven zum Auskranen und verabschieden uns erstmal, über den Winter ist wieder mal viel geplant, der Mann an meiner Seite ist enttäuscht, dass er keinen Atomreaktor an Bord haben kann, deshalb gibt er sich notgedrungen mit einem Windgenerator zufrieden, neue Kühlschränke (die alten ähneln eher Petrischalen im Forschungslabor), die Pantry muss aufgehübscht werden, wenigstens das können wir alleine.

Und in der nächsten Saison sezten wir (hoffentlich) die neuen Segel…

Sunrise, sunrise….

Skyroad und die neue Freundin..

Disney-Prinzessin 😉

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